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Der Laden für Nichts präsentiert den Laden für Nichts
Text von Tina Schulz
Den »Laden für Nichts« von Uwe-Karsten Günther gibt es in Leipzig seit dem Jahre 1998; seitdem hat er an unterschiedlichen Orten einer Vielzahl von künstlerischen Projekten Raum abseits der etablierten Institutionen gegeben.
2003 begann für Uwe-Karsten Günther mit dem Auszug des Ladens aus seinen »Geschäftsräumen« in der innenstadtnahen Bachstraße in Leipzig eine neue Ära: in Zusammenarbeit mit dem Medienkünstler und Architekten Alexander Pointinger baute er seinen Laden originalgetreu aus Holz nach. Hinter diesem technisch und
logistisch aufwändigen Projekt stand die Idee, die mit dem Laden verbundene Szene zu transferieren und den Laden als soziales Ereignis in andere Strukturen innerhalb des Kunstfeldes implantieren zu können. Dies wurde auch bald in die
Tat umgesetzt und der hölzerne Nachbau ( »1:1 Konstruktion« ) diente im letzten Jahr einer Reihe von Ausstellungen und Aktionen, die innerhalb von Institutionen * stattfanden, als Plattform. Die »1:1 Konstruktion« hat sich dabei als ein flexibler Ausstellungsraum mit einer festen Verankerung in der Leipziger Szene bewährt, – ob der Laden sich jedoch außerhalb seines eigenen Umfeldes ebenso andocken lässt, wird sich diesen Sommer zeigen, wenn der
Nachbau im Juli 2004 nach London exportiert wird. Geplant ist bei dieser Ausstellungstour die Präsentation Leipziger Künstler im Austausch mit der lokalen Szene.
Verkörperte nun der alte Laden geradezu beispielhaft eine
künstlerische Praxis, die sich durch eine – mal skeptisch-trotzige und mal ideell motivierte – Ablehnungshaltung gegenüber bereits institutionell etablierten Strukturen auszeichnete und die im Übrigen einen der Motoren des Kunstbetriebes überhaupt darstellt, indem hier ohne Rücksicht auf gängige Übereinkünfte experimentiert und innoviert wird, so macht Uwe-Karsten Günther
nun mit seinem Nachbau einen Schritt aus diesem Bereich des Nicht-Etablierten, oder des »Underground« heraus.
Er stellt, indem er das Milieu, das zum Laden
gehört, sozusagen »freistellt«, transferiert oder exportiert, den »Laden für Nichts« als eine Art lebendige, soziale Skulptur mit Modellcharakter aus.
Wann immer man sich nun mit originalgetreuen Nachbauten architektonischer Schauplätze konfrontiert sieht, so sieht man sich zugleich meist einer heftigen Debatte über die Authentizität des Originals und die Künstlichkeit der Kopie ausgesetzt; dabei greifen sofort jene Für- und Widerargumente ineinander, die
im Nachbau einerseits eine Möglichkeit der Erhaltung des Originals durch die Kommerzialisierung der Kopie sehen, und die andererseits die Frage nach den Kräften stellen, die einen solchen Nachbau außerdem motivieren könnten. Auch am originalgetreuen Nachbau einer kleinen Off-Galerie lassen sich ebendiese Fragestellungen ablesen: Was für Inhalte transportiert die Kopie und welche
Intentionen gewinnen die Überhand bei ihrer Nutzung ?
Lässt sich eine Szene überhaupt als soziale Skulptur exportieren und andernorts an lokale Bedingungen anschließen? Bleibt der Laden als Nachbau lebendig oder wird er als Stellvertreter eines Phänomens einem nimmersatten Kunstbetrieb einverleibt und zur gefälligen Besichtigung ausgestellt?
Wenn nun Uwe-Karsten Günther mit seinem Programm auf Tournee geht und der Laden seinerseits in Institutionen ausgestellt wird, so könnte er sich mit einem Mal einem Kontext ausgesetzt
sehen, dessen Definitionsmacht unter Umständen die seine überragt: Wer sich in einen Kontext begibt, muss das Risiko der freundlichen – oder im schlechten Fall feindlichen – Übernahme zwangsläufig selber tragen. Hiergegen steht allerdings die transformative Wirkung eines offenen Austausches, wie ihn Uwe-Karsten Günther anstrebt. Da zu dem »Laden für Nichts« untrennbar eine starke Szenenanbindung gehört, die ihn belebt und trägt, scheint eine Historisierung und »Einschließung« des Projektes in statische Zusammenhänge
eher unwahrscheinlich.
Aber dennoch muss man sich fragen, was der Laden
eigentlich re-/präsentiert, wenn er auf Tournee geht: ein begehbares Modell alternativer Ausstellungspraktiken am Rande des Existenzminimums oder ein in die Zukunft weisendes Konstrukt kollaborativer Arbeits- und Lebensmöglichkeiten in wechselnden Partnerschaften zu Institutionen und der freien Wirtschaft.
Mittlerweile ist der Laden zu einem kleinen Unternehmen geworden, das die ganze Zeit und Energie seines Impresarios fordert. Ausstellungsvorhaben müssen aufeinander abgestimmt und Clubabende organisiert werden, die mitreisenden
Künstler müssen auf den gemeinsamen Auf- und Abbau der »1:1 Konstruktion« und den Umbau der Ausstellungen eingeschworen werden, und während die Leipziger »Othellos Erben« im Laden eine alte Kantine samt Essensausgabe originalgetreu (schon wieder!) aufleben lassen wollen, plant der nächste Aussteller schon die
Verwandlung des Raumes in einen klassischen White Cube.
Diese Wandelbarkeit des Profils verlangt auch dem Organisator größte Flexibilität ab, weshalb sich Uwe-Karsten Günther selbst nur ungern mit einer Bezeichnung wie Galerist oder Kurator abfinden könnte: der Laden ist schließlich sein künstlerisches Projekt,
die Ausstellungen sieht er als Kollaborationen mit befreundeten Künstlern an und im Endergebnis steht meist, das lehrt die Erfahrung, ein soziales Ereignis mit ganz spezifischem Charakter ins Haus, das es euphorisch abzufeiern gilt.
* LfN & Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, Mai 2003; August 2003; LfN & Kunstraum B/2 Leipzig, September 2003,
1:1 Konstruktion Laden fuer Nichts & Union Gallery in London, Sommer 2004,